Dieses Video kursiert derzeit nicht nur auf Facebook, sondern auch in in der hiesigen Bildungsbloglandschaft. Ich gestehe, der Name Harald Lesch sagte mir zunächst nichts. Das, was Herr Lesch in dem Video ausführt, jedoch um so mehr.
Unser Bildungssystem ist durchzogen von Widersprüchlichkeiten, die Lehrer, Schüler und Eltern belasten. Zum einen sollen wir jedes Kind dort abholen, wo es gerade steht. Individuelle Förderung wird überall eingefordert, nur um in Klasse 3 dann alle Kinder über exakt identische VERA Aufgaben brüten zu lassen. Die Lehrpläne geben Kompetenzen vor, die Ende des zweiten und Ende des vierten Jahrgangs erreicht werden sollen, ohne genau das zu berücksichtigen, was wir als Lehrer im Alltag jedoch stets berücksichtigen müssen: Stand und Lernfähigkeit unserer Kinder.
Es gibt einen netten Spruch:
"Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht!"
Wir nehmen das Recht auf Inklusion ernst, nicht aber das Recht der Kinder auf eine adäquate Ausbildung. Man stelle sich vor, man ginge mit einem Schnupfen zum Gynäkologen oder mit einem gebrochenen Arm zu Zahnarzt. Obwohl es eigens ausgebildete Lehrkäfte für bestimmte Förderschwerpunkte gibt, traut man uns Lehrern zu, jedes Kind entsprechend fördern zu können. Positiv betrachtet ist das ein immenser Vertrauensvorschuss.
Man traut uns - die wir nicht als Sonderpädagogen ausgebildet sind - zu, die Arbeit eines entsprechend ausgebildeten Kollegen ad hoc zu übernehmen und qualitativ gleichwertig auszuführen. Und das ist es, was Kollegen belastet, was sie unter Druck setzt, was das Gefühl entstehen lässt, das hier in einem Kommentar so passend beschrieben wurde:
"Leider habe ich immer wieder das Gefühl, dass die Decke, nach der ich greife, an allen Enden zu kurz ist."
In unserem Team ist das immer wieder ein wichtiges Thema: Was können wir mit unseren vorhandenen Ressourcen leisten und an welchen Stellen müssen wir mehr Gelassenheit entwickeln.
Ich plädiere für eine gesunde Gelassenheit, die zu einer gesundheitserhaltenden Gelassenheit wird!
Wir können nicht mehr als arbeiten und jeden Tag aufs Neue unser Bestes geben. Und zwar in dem vorgegebenen Rahmen, in den Räumen, die uns zur Verfügung stehen, mit den Materialien, die wir vom Schuletat anschaffen können, mit der personellen Situation, auf die wir - meiner Meinung nach deutlich zu geringen - Einfluss haben und mit den Möglichkeiten, die wir haben.
Wir können uns fachlich weiterbilden, fortbilden, Methoden und Lernansätze modifizieren, individuell fördern und vor allem auch fordern und dennoch wird immer irgendwie das Gefühl bestehen bleiben, nicht genug getan zu haben, nicht genug bewirkt zu haben, nicht jedem Kind gerecht worden zu sein.
Wenn wir bei den Kindern stärkenorientiert arbeiten, sollten wir bei uns anfangen. Ich kann an dieser Stelle nicht für alle, aber für "meine Schule" sprechen. Für ein Team, das jeden Tag neu sein Bestmöglichstes gibt.
Die rechtlichen Vorgaben, eine Qualitätsanalyse, die Wünsche und Vorstellungen der Eltern und der uns eigene Anspruch, setzen uns unter Druck, weil wir zulassen, uns unter Druck setzen zu lassen. Jedes Kind ist anders. Und nicht jedes Kind erwirbt im Laufe seiner Grundschulzeit vielleicht all die erwarteten Kompetenzen aus dem Lehrplan. Vielleicht ist es gerade aus einem Kriegsgebiet geflohen und hat ganz andere Sorgen, als unseren Lehrplan zu erfüllen? Vielleicht kommt es aus einem konfliktbehafteten, privaten Umfeld, vielleicht lernt es anders, vielleicht lernt es langsamer, vielleicht.....
Ich wünsche mir für uns Kollegen, dass wir nicht länger zulassen, diesen Druck zu empfinden. Ich wünsche mir eine gesunde Gelassenheit bei gleichbleibenden Einsatz. Sprich: Eine Gelassenheit im Hinblick darauf, was wir erreichen können ohne frustiert und ausgelagt, geschunden und resigniert auf der Strecke zu bleiben. Es wäre doch schön, wenn jeder Kollege sähe, was er alles bewirkt und bewirkt hat und bewirken wird und nicht ausschließlich darauf schaut, was eventuell nicht funktioniert hat!
Das Lehrerzimmer bräuchte auch eine "Das kann ich schon"- Wand. Wir müssen lernen, auf das zu blicken, was uns gut gelingt und ohne Scheu und Scham stolz darauf sein.
In unserem Lehrerzimmer steht ein "Sonnenschein-Buch". Hier tragen wir all die herzöffnenden Glücksmomente ein, die Schule für uns bereithält, damit wir nicht nur jammernd und leidend zusammensitzen. In arg stressigen Zeiten werden die Einträge weniger, aber wenn ich das Buch durchblättere, weiß ich, warum ich Lehrerin geworden bin.
Um auf das oben verlinkte Video zurückzukommen: Unsere Kinder müssen Erfahrungen machen (dürfen) und sammeln können. DAS müssen Eltern, aber auch Schule ermöglichen.
Und sie müssen Kind sein dürfen.
Warum soll das Flüchtlingskind also nicht erstmal "nur spielen" und bei uns ankommen? Wer sagt, es muss sofort täglich zehn neue Wörter lernen und darf nicht erstmal die Flucht verarbeiten? Niemand.
Unsere eigenen Ansprüche sind es, die uns manchmal zusetzen. Und daran können wir arbeiten. Vielleicht können wir die Rahmenbedingungen nicht alle optimieren, aber wir können unser Kopf und unser Lehrerherz gelassener werden lassen!
Katharina So eine tolle Seite mit so vielen Inspirationen! Vielen herzlichen Dank dafür. 13.7.2020-9:54
Anne Liebe Susanne, erst einmal ein großes Lob für die vielen liebevoll gestalteten Dinge. Ich möchte im neuen Schuljahr auch eine Eisbärenklasse starten. Gibt es schon Schilder für die Tafel mit den Unterrichtsstunden? LG 21.5.2017-17:17
Melanie Liebe Susanne,
vielen Dank für deine tollen Texte, darin kann man sich wirklich stundenlang verlieren!
Am Schuljahresanfang hattest du Auf- und Einräumbilder deines Klassenraumes gepostet, mich würde mal interessieren, wie es jetzt so bei dir aussieht, nachdem darin schon eine ganze Weile gelebt wird.
Es grüßt dich ganz herzlich,
Melanie 14.5.2017-19:18
Pepe Weil nicht sein darf, was nicht sein soll! Mutige, offene Worte. Vielen Dank dafür, Susanne. Genau so sieht es aus. 23.2.2017-16:37
Melli Liebe Susanne, ich möchte gerne die Gelegenheit nutzen, um dir ganz ganz herzlich für die tolle Idee und natürlich deine süßen Materialien zum Märchentag zu danken. Wir begehen seither den "Märchenfreitag" (stundenplanbedingt) und meine Erstklässler lieben es! Gerade für meine sehr spracharmen Kinder ist es eine tolle Möglichkeit, den Wortschatz zu erweitern und sie zum Sprechen und Erzählen anzuregen. Und ähnlich wie du habe auch ich einen ungemeinen Spaß daran, jede Woche ein neues Märchen vorzubereiten und mal keine Buchstabeneinführung ö.ä. zu machen. Also lieben, lieben Dank!!! 18.2.2017-11:02