Susanne Schäfer 19.11.2018, 19.08| (8/0) Kommentare (RSS) | PL | einsortiert in: Gedanken
Wir sind aufgeregt.
Ganz unerwartet haben wir die Möglichkeit erhalten, während unseres Kurzurlaubs am Besuchstag einer bekannten demokratischen Schule teilzunehmen.
Nachdem unsere ersten Hospitationsbitten abgelehnt wurden, freuen wir uns nun umso mehr.
Am Abend vorher ergehen wir uns darin, in unseren Erwartungen zu schwelgen und uns in den buntesten Farben auszumalen, was wir Innovatives, Demokratisches und Freies sehen werden.
Wir lesen uns ein und erkennen schnell die engen Grenzen unseres Vorstellungsvermögens und so lassen wir uns überraschen.
Am nächsten Morgen stehen wir früh auf und fahren 45 Minuten bis zur besagten Schule. Die Außenansicht des Gebäudes und Geländes ist vielversprechend, nicht vergleichbar mit unserem Schulgebäude. Eine weiße, große Villa empfängt uns. Draußen spielen einige Kinder, es gibt keine einengenden Zäune, nur ansprechendes, naturnahes Gelände.
Der erste Eindruck ist vielversprechend.
Wir wissen nicht so recht, wohin oder an wen wir uns wenden müssen und gehen zögerlich durch die Eingangstür, nur um unmittelbar darauf in einem bunten Treiben zu landen.
Neben den vielen Schuhen, die am Fuße an einer Treppe nun vor uns und in Regalen neben uns liegen, fallen uns Schülerinnen und Schüler auf, die vorbeihuschen, auf Treppen sitzen, sich etwas zurufen.
Ratlos schauen wir uns um und erfahren – sozusagen im Vorbeigehen – dass wir ganz nach oben müssen und das am besten natürlich auch schuhfrei.
So landen unsere Schuhe auf der recht strapazierten Holztreppe und wir huschen auf Socken bis in die obere Etage. Dort führt uns irgendwer in einen Raum, in dem schon einige Besucher sitzen.
Wir erhalten einen Namensaufkleber und werden gebeten, uns einen Platz zu suchen.
Es ist laut, Kleinkinder weilen unter den Besuchern und erkunden den Raum. Unter dem großen Holztisch sitzt ein Mädchen, es mag vielleicht sechs, sieben Jahre alt sein, und singt vor sich hin.
Wir haben Zeit, den Raum anzuschauen und sehen Regale in denen einige Schulbücher stehen, einige Lexika, bekannte Verlage sind vertreten. Weiße Magnettafeln stehen beschriftet herum, in der Ecke steht ein Sofa, das bereits bessere Zeiten gesehen hat, aber so wie es ist ausgezeichnet in diesen Raum passt.
Hier und dort liegt Kram herum, Getränke und Kekse stehen für uns Besucher bereit.
Es wird kurz hektisch, weil in den vorbereiteten Umschlägen für die Besucher ein Elternprotokoll vermutet wird, das sich aber nicht finden lässt.
Ich schaue in die vorbereiteten Unterlagen und finde nur einige Presseberichte und Infos über die Schule.
Mit der Begrüßung beginnt der Einblick in eine interessante und nicht ausschließlich fremde Schulwelt.
Unter den Besuchern sind viele Eltern mit ihren teilweise doch noch sehr jungen Kindern, Lehrerkollegen, Studenten und Menschen, die selbst eine eigene Schule gründen möchten.
Der erste Vater stellt sich und seine kleine Tochter vor, das „Du“ und der Vorname sind hier obligatorisch, und erklärt, seine Tochter habe für sich entschieden, der Kindergarten sei nichts für sie, deshalb müsse sie dort auch nicht hingehen, dürfe aber bald schon diese Schule besuchen.
Andere Eltern berichten davon, dass das eigene Kind im Regelschulsystem nicht zurechtgekommen und nun seit dem Herbst gar nicht mehr beschult werde.
Eine Kollegin erklärt, dass das Regelschulsystem nichts für sie sei und sie nach sechs Jahren spürt, mit dem System stimmt etwas nicht.
Das Regelsystem, so kommt es mir schnell vor, ist hier behaftet mit einer Art „Feindbild“.
Ganz bewusst entscheide ich mich dafür, bei unserer Vorstellung darauf hinzuweisen, dass wir just in diesem Regelschulsystem als Schulleitung arbeiten und uns freuen, hier sein zu dürfen.
Die Blicke der anderen ließen sich vielfältig deuten, während die Vorstellungsrunde weitergeht. Wir sind vielleicht 25 Besucher und haben eines gemeinsam: Die Neugier auf die etwas andere Schule.
Wir werden gebeten, keine Fotos zu machen und nichts mitzunehmen.
In zwei Gruppen geht es nun zur Schulführung. Der junge Mann, der uns begleitet ist charmant und wortgewandt. Er war einst selbst einige Jahre Schüler dieser Schule und arbeite nun als FSJ-ler hier, so erklärt er uns.
Er zeigt uns nun einen ersten Raum, schlicht, bestückt mit einem Sofa, einem ebenfalls stark abgenutzten Sofa und einem Regal, in dem wüst einige Bücher kreuz und quer herumliegen.
Drei Schülerinnen und Schüler sitzen mit Ipads und Handys auf dem Sofa und registrieren uns nur am Rande.
Das Regal sei so unaufgeräumt, wird uns erläutert, weil gerade umgeräumt wird. Hier stünde Literatur zur Sprachförderung. Ich sehe drei Harry Potter Bände und komme nicht dazu, mir die anderen Bücher genau anzuschauen, denn wir gehen weiter in den nächsten Raum, den „Medienraum“.
Hier stehen ein Kicker, ein Sessel, ein Regal mit einigen wenigen Gesellschaftsspielen und ein abgeschlossener Metallschrank in dem die Medien lagern:
Ipads, GoPros für die Skifreizeit und ähnliche Medien. Ein junger Schüler liegt im Sessel und spiel ein sehr lautes Spiel auf dem Ipad. Ich sehe Autos herumrasen. Er wird gebeten, den Ton auszustellen, damit wir besser verstehen, was uns erklärt wird.
Seine Motivation der Bitte zu folgen scheint gering und so höre ich nur lautes Autorasen statt der weiteren Erklärungen.
Wir werden nun durch alle Räume geführt. Es gibt einen Raum für Naturwissenschaften – in dem man Schuhe tragen sollte – der aber derzeit nicht stark frequentiert wird – so die Erläuterung.
Die Ausstattung ist minimalistisch, Material kann ich so gut wie keines entdecken. Überhaupt fallen mir die wenig gestalteten Wände und Räume auf.
Der „Lesen-Schreiben-Rechnen-Raum“ für jüngere Schüler zumindest ist „dekoriert“ mit einer alten Anlauttabelle eines bekannten Verlags. Es dominiert ein großer Holztisch – die Holztische in allen Räumen sind wunderschön, robust und trotz der enormen Abgewetztheit sehr einladend – ein leerer weißer Kaufladen steht an der Wand, in einem großen Regal findet man Lük Kästen, Logico und einige wenige Schulbücher.
Ein Besuchskind malt eine Osterei Vorlage aus, auf dem Tisch stehen Buntstifte bereit.
Der Raum wirkt auf mich wie ein arg vernachlässigter Kindergartenraum. Als Kind hier eine gewisse Lernmotivation zu entwickeln stelle ich mir schwierig vor.
Vor dem Raum liegt ein kleines Mädchen auf dem Boden und spielt mit einer zerzausten Barbiepuppe.
Insgesamt sehen wir sehr wenige Schülerinnen und Schüler, die, die wir entdecken können, sitzen oder liegen mit Handys und Ipads herum und spielen. Die Chipstüte zwischen sich, was uns angesichts der Grundregel: „Diese Schule kocht und isst bio-dynamisch und vegetarisch.“ schmunzeln lässt.
Wir sehen noch das kleine Atelier, in dem man sich kaum bewegen kann, so vollgestellt ist es mit Staffeleien, Nähmaschinen, Leinwänden und anderen Materialien.
Der Raum wird, so erklärt man uns, gerade nicht so oft benutzt, da hier immer schmutziges Geschirr mit Essensresten herumstand.
Nun sei der Raum hauptsächlich verschlossen.
Es ist eigentlich ein wunderschöner Raum, mit großen Fenstern, viel Licht. Die Fensterrahmen sind – wie in vielen anderen Räumen auch – beschmiert mit Farbe und viel Schmutz.
Die Schule wird von den Schülerinnen und Schülern eigenständig gesäubert, dafür ist das PK, das Putzkomitee zuständig und jeder Schüler, jeder Schülerin muss eine halbe Stunde in der Woche mithelfen, die Räume zu reinigen. Auf jeder Etage stehen farbig markierte Putzschränke, deren Inventar – es kommt bekannt vor – auf einem laminierten Schildchen außen aufgelistet ist.
Auch auf den Toiletten finden sich bekannte Schildchen: „Bitte spülen“ heißt es da und mir scheint, die Probleme an Schulen aller Art sind in einigen Bereichen die gleichen.
Ich fühle mich unwohl auf meinen Socken im Toilettenbereich und denke nicht weiter darüber nach, was nun alles an meinen Socken haften mag.
Wir lernen den Fingerabdruckscanner kennen, mit denen die Anwesenheitszeit erfasst wird, denn auch an dieser Schule gilt es, eine bestimmte Wochenstundenzahl in der Woche anwesend zu sein.
Der Monitor über dem Fingerabdruckscanner bleibt dunkel, ich vergesse zu fragen, wofür er bestimmt ist.
Der Musikraum unten im Keller ist winzig. Ein Schlagzeug steht auf dem dunkelvioletten Teppich, ein Keyboard, ein Rechner. Viele Verstärker stehen herum, an den Wänden Gitarren.
Man trägt sich in eine Liste ein, wenn man den Raum nutzen möchte. Ein Team betreut den Raum und ist für den Raum verantwortlich. So ist es mit allen Räumen.
Neben dem Musikraum befindet sich der Essraum, auch hier finden sich die riesengroßen Holztische wieder.
Es schließt sich eine große Küche an, in der bereits gekocht wird.
Das Mineralwasser wird gesponsert von einer großen Firma und in einem Flaschenregal liegt für jeden Schüler/jede Schülerin eine Flasche bereit. Ein dick angeketteter Edding dient der Beschriftung der Flaschen.
Auf einer Flasche ist ein überdimensionierter Penis gezeichnet. Schulalltag eben.
Türen schwingen auf und zu und knallen. Ab und zu ertönt eine Durchsage durch das Haus.
Wir dürfen nun in die freitägliche SV-Sitzung in einem großen Raum, in dem sich in der Tat dann doch einige Schülerinnen und Schüler und einige Mitarbeiter finden. Der Raum ist groß und hell, die Wände in hellblau mit weißen Wölkchen bemalt. Wir sitzen auf großen Kisten.
Drei Schülerinnen und Schüler leiten die SV, die Akustik in dem Raum ist nicht optimal, ich sitze recht weit hinten im Raum und verstehe nicht alles, was gesagt wird. An der Wand vorne sieht man die Anträge, die zur Abstimmung gelangen sollen.
Vor dem Raum sitzt ein junger Schüler, der dafür zu sorgen hat, dass es leise ist während der SV. Dieser Schüler war - so wird uns erläutert – in der letzten SV Sitzung laut und als logische Konsequenz muss er nun heute dafür sorgen, dass es leise bleibt. Er spielt dabei auf einem stumm gestalteten Ipad.
Strafen gibt es keine an dieser Schule, nur logische Konsequenzen. Wenn du deine tägliche Supermarktzeit nicht in die entsprechende Liste einträgst, wirst Du nicht bestraft, musst allerdings mit der logischen Konsequenz leben, die diesem Regelbruch folgt und darfst eben eine Weile nicht mehr zum Supermarkt.
In der SV werden langsam und langwierig, demokratisch eben, die Anträge abgearbeitet.
Der Schulleiter muss aufgrund zweimaligen Regelbruchs (Hineinrufen ohne aufzuzeigen) die SV verlassen und es wirkt so ein bisschen, als sei er ganz froh sich nun vor dem Gebäude eine rauchen zu können.
Es gibt viele Regeln an dieser Schule. Sehr viele Regeln. Die Anträge berufen sich auf alte Regeln und bitten um neue Regeln. Es wird diskutiert, gerungen, entschieden. Anträge werden zurückgezogen, kritisiert von allen Seiten beleuchtet.Eine Mitarbeiterin kritisiert den von ihr selbst gestellten Antrag bis sie bemerkt, dass es ihr eigener Antrag war.
Der Antrag wird bis auf weiteres zurückgestellt.
Es geht darum, wer wie lange die Schaukeln nutzen kann und ich entdecke Parallelen.
Ein Schüler stellte den Antrag ein bestimmtes Spiel auf den Ipads freigeschaltet zu bekommen. Es wird hin und her diskutiert, denn das Spiel ist erst ab 12 Jahren freigegeben.
Als ein Mitarbeiter den Jungen fragt, ob er sich vorstellen kann, den Antrag zurückzuziehen, kann er sich das gut vorstellen.
Demokratie eben.
Die Struktur dieser SV ist nicht anders als an anderen Schulen. Für mich als Besucherin ist es nach einer halben Stunde wenig spannend. Aber ich habe Zeit, die Menschen zu beobachten.
Es sind wenig Schüler anwesend. 85 besuchen die Schüler, in der SV – die man besuchen kann, aber natürlich nicht besuchen muss – sitzen insgesamt an die 20 Stimmberechtigten, davon vier Mitarbeiter.
Ich frage mich wo die anderen Schülerinnen und Schüler sind, denn in den Räumen sahen wir ja auch nur wenige von ihnen.
Während weiter um Worte und Formulierungen gerungen wird, rutsche ich unruhig auf meiner Kiste herum und bin froh, als wir die SV verlassen dürfen und als Besucher noch einmal im Raum unter dem Dach einfinden und Zeit für Fragen haben.
Eine Mitarbeiterin, drei Schüler und eine Schülerin sind so nett und stehen für unsere Fragen zur Verfügung. Unter dem Tisch sitzt nach wie vor die junge Schülerin und singt und redet vor sich hin.
Ich esse enttäuscht einen wahrscheinlich biodynamischen Keks und harre der Fragen, die da kommen mögen.
„Was bedeutet für Euch freie Schule?“, möchte ein Besucher wissen und ein junger Mann antwortet sehr eloquent und vergleicht Begrifflichkeiten wie „selbstbestimmtes Lernen“, „eigenständiges Lernen“ und „freies Lernen“. Die Mitarbeiterin mag es philosophischer und fragt zurück: „Welche Freiheit ist denn konkret gemeint?“
Wir gehen nicht in die Tiefe, die Zeit ist knapp. Die Kollegin, die aus dem Regelschulsystem ausbrechen möchte, fragt die Schüler, was sie tun muss, damit die Schüler sie hier einstellen würden, denn an dieser Schule entscheiden die Schüler, wer hier arbeitet und wer gehen muss.
„Es muss einfach passen! Du musst das Konzept von Herzen leben!“, ist die unbestimmte Antwort.
An dieser Schule, so wird uns vorgetragen, kann jeder seine Bedürfnisse ausleben. Ein Schüler berichtet, er habe erst ein Jahr lang nur jeden Tag auf dem Sofa gelegen und gelesen, dann zwei Jahre lang nur am Ipad gespielt und dann irgendwann beschlossen, es sei Zeit zu lernen.
Ein anderer Schüler ergänzt: „Wir haben eben alle unterschiedliche Bedürfnisse. Ich zocke eben total gern und meine Mutter liest lieber. Sie lässt mich zocken und ich lasse sie lesen!“
Mir entfleucht ein sarkatisches: „Wie großzügig von ihm!“, womit ich mich direkt disqualifiziere.
Es gäbe viele Fragen, aber man erahnt die Antworten im Voraus. Es gibt viel unprofessionelle Schelte für das Regelschulsystem. Die Mitarbeiterin zieht über ihre ehemaligen Mitarbeiter her und es wird immer deutlicher, dass das Regelschulsystem hier nicht nur verkannt, sondern auch verachtet wird.
Ich ringe mich durch und frage nach, ob die Schülerschaft meint, sie repräsentiere an dieser Schule einen gesellschaftlichen Querschnitt.
Nein, ist die eindeutige Antwort, aber auch der Hinweis darauf, dass man das gar nicht wolle.
Meine weitere Frage nach multiprofessionellen Teams wird vage damit beantwortet, dass zwei Mitarbeiter ein Lehramtsstudium absolviert haben und es schwierig sei, andere Professionen zur Zusammenarbeit zu bewegen.
Es wird nach den möglichen Abschlüssen gefragt, die extern abgelegt werden müssen. Dies können sowohl der Hauptschul- als auch der Realschulabschluss sein.
„Und danach?“, möchte jemand wissen und wir hören die klare Aussage eines Schülers: „Ich suche jetzt einen Job, aber ich kann mir nicht vorstellen, in einem hierarchisch geführten Betrieb zu arbeiten!“
Die Mitarbeiterin ergänzt: „Keine Ahnung, was aus den Jungs und Mädchen wird. Das wissen wir doch ohnehin nie. An keiner Schule!“
Mir läge am Herzen zu fragen, wie Teambildungprozesse stattfinden, wie Lesen gelernt wird, wann Gemeinsames praktiziert wird, doch es folgt wieder eine Breitseite gegen die Regelschule im allgemeinen und mir vergeht ein wenig die Lust. Hier geht es gar nicht um Austausch.
Hier arbeiten und leben Menschen, die nur von sich und dem einen Konzept überzeugt sind, anderes hat keinen Bestand, so kommt es mir vor.
Die Kleinkinder toben herum, eines hat definitiv die Windel voll, eine interessierte Besucherin ist restlos begeistert, hat einen ganzen Block voller Notizen mitgeschrieben und fasst ihre Begeisterung nahezu philosophisch zusammen.
Ich bin ernüchtert und bräuchte einen Keks. Der Teller ist leer. Schade.
Bei der Verabschiedung kann ich es doch nicht lassen und merke an, dass man das eigene System nicht durch Abwertung der anderen Systeme aufwertet und ich den Eindruck erhalten hätte, dass Regelschule hier so eine Art „Feind“ sei, ohne zu wissen, was sich in anderen Schulen gerade bewegt.
Unterschiedliche Systeme, so führe ich weiter an, können doch durchaus nebeneinander Bestand haben.
Das sei eine sehr wichtige Rückmeldung, so sagt mir die Mitarbeiterin und sie gebe das auf jeden Fall an das entsprechende Komitee weiter.
Vor dem Haus kommen wir noch mit einem anderen Besucher ins Gespräch, einem Studenten, mit dem wir uns kurz aber konstruktiv über unsere Eindrücke austauschen.
Ich gehe mit dem guten Gefühl, an unserer Schule an der richtigen Stelle zu sein.
Vor einigen Jahren hätte ich mich nach diesem Besuch vor allen Dingen spießig und dem Establishment zugewandt gesehen. Heute bin ich froh darüber, dass es für alle Ansätze und Überzeugungen einen Platz gibt.
Ein wenig neidisch schaue ich auf die imposante Villa zurück und stelle mir vor, welche wunderbaren Lernorte man darin schaffen könnte.
So wie es den Gründern gelungen ist, ihre eigene Vision von Schule umzusetzen. Ich finde das bewundernswert, auch wenn meine Visionen diesbezüglich andere sind.
Wir nehmen nichts mit außer der Gewissheit, gesehen zu haben, welche Visionen nicht den unsrigen entsprechen.
Es bleibt jedoch zu erwähnen, dass die Menschen in der dieser Schule glückliche Menschen sind, visionäre Menschen, selbstbewusste Menschen.
Menschen, die für ihre Überzeugung leben und „brennen“. Nicht anders als wir, nur gänzlich anders in der Umsetzung.
Es war schön, das gesehen haben zu dürfen, doch nun freue ich mich sehr auf morgen.
Auf unsere Kinder, auf unsere Lernumgebung und auf unser Team, das auch „brennt“.
Nur irgendwie, irgendwo ganz anders.
Irgendwann gelingt es uns vielleicht, voneinander zu lernen.
Das wäre mein Traum.
Susanne Schäfer 08.04.2018, 08.21| (10/1) Kommentare (RSS) | PL | einsortiert in: Gedanken
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Susanne Schäfer 19.02.2017, 10.16| (15/8) Kommentare (RSS) | PL | einsortiert in: Schulalltag
In den letzten Wochen stoße ich vermehrt auf Berichte (wie diesen) nahezu verzweifelter, überforderter und frustrierter Kolleginnen und Kollegen, die die Verhältnisse in unseren Schulen darlegen, offenlegen und anprangern.
Es scheint vieles nicht rund zu laufen in unserem derzeitigen Bildungssystem und der beinahe schon verzweifelte Schrei nach Gehör an den richtigen Stellen, wird nicht ernst- oder gar nicht erst wahrgenommen.
Neben der vielerorts verständlichen Frustration der Kolleginnen und Kollegen sind es jedoch die Kinder, die „auf der Strecke bleiben“ und die – neben den Kollegen – es verdienen, in den Fokus gerückt zu werden.
Sechs Kinder meiner Klasse haben einen eindeutigen und vor allem deutlich sichtbaren erhöhten Förderbedarf.
Das ist die Realität.
Sichtbar und erkennbar sogar ohne jegliche offizielle Verfahren.
Diese wurden nach Beantragung aber auch abgelehnt. Eine Überprüfung des sonderpädagogischen Förderbedarfs wurde abgelehnt mit der Begründung:
„Fördermöglichkeiten der Grundschule wurden noch nicht ausgeschöpft!“
Faktisch bedeutet das: In meine Klasse geht kein Kind mit einem erhöhtem Förderbedarf.
Für die Statistik des Schulamtes mag das sehr nützlich sein – für diese Kinder jedoch nicht.
Jeder Mensch, der eine Nasennebenhöhlenentzündung hat geht zum HNO Arzt, mit einem entzündeten Blinddarm wählt man den Chirurgen. Sieht man schlecht hilft der Gynäkologe nicht wirklich weiter…..
Nur im Bildungsbereich werden die Kinder zu Versuchskaninchen degradiert und müssen mit einer Lehrerin Vorlieb nehmen, die weder über die entsprechende Profession verfügt, noch über die entsprechenden Hilfsmittel.
Weil nicht sein darf, was nicht sein soll.
Da diese Kinder ja offiziell gar keinen erhöhten Förderbedarf haben, benötigen sie offiziell ja auch keine entsprechende Förderung und das ist ein Vergehen an jedem einzelnen dieser Kinder.
Als Schulleitung darf man nun den Spagat machen und trotz Erkennen und Durchschauen der untragbaren Situation, das Team ermutigen, weiterzumachen, die Kolleginnen und Kollegen in ihrer Arbeit bestärken und unterstützen und versuchen, die Frustration auf ein erträgliches Maß zu minimieren.
Öffentliches Darlegen der realistischen Situation ist unerwünscht und die Konsequenzen für Schulleitungen nicht immer angenehm, um nicht zu sagen sehr unangenehm.
Wie oft wurde mir nun schon gesagt, ich habe die Inklusion nicht wirklich verstanden?
Ohne, dass je jemand dieser Menschen an unserer Schule war oder in meinem Unterricht.
Als Schulleitung, so erwartet man, hat man loyal zu sein und das wird leider häufig gleichgesetzt mit unkritisch.
Aber ist nicht genau das Aufgabe von Schulleitung? Kritisch zu hinterfragen, Kollegen den Rücken zu stärken, für bessere Bedingungen zu kämpfen und für jedes einzelne Kind der Schule das Bestmögliche zu fordern und zu ermöglichen?
So jedenfalls habe ich meine, unsere, Aufgabe immer verstanden.
Ich gehöre nicht zu den Frustrierten. Ich leide auch nicht an Burnout, bin nicht verzweifelt und fühle mich auch nicht überarbeitet oder überlastet.
Aber nur, weil ich meine Grenzen akzeptiere und anerkenne, dass ich nicht die Arbeit einer Sonderpädagogin leisten kann.
Aus dem einfachen Grunde, weil ich keine bin.
Das bedeutet, damit zu leben, dass einige Kinder nicht optimal gefördert werden können.
Nicht durch mich, nicht mit der größtmöglichen Anstrengung, nicht mit ganz viel Fleiß, Motivation und Ausdauer.
Im Grunde muss ich mich nicht sorgen, denn diese Kinder haben ja allesamt offiziell keinen erhöhten Förderbedarf.
Was spielt es da für eine Rolle, dass ein Kind sich nicht selbstständig anziehen oder den Toilettengang nicht selbstständig ausführen kann? Was spielt es für eine Rolle, dass das Kind nicht in der Lage ist verständlich zu sprechen, wenn es doch offiziell gar keinen Förderbedarf „Sprache“ hat?
Alles ist gut – offiziell – nur wer fragt nach den Kindern?
Ich gehe jeden Morgen gerne in meine Klasse, weil es eine unglaublich tolle Lerngruppe ist, die mich jeden Tag Neues lehrt, die mich weiterbringt, mich reflektieren lässt, mich schmunzeln und glücklich sein lässt.
Und ich gehe jeden Tag in der Überzeugung, mein Bestes zu geben.
Das Beste jedoch wird nicht reichen, das ist mir bewusst, und deshalb kämpfe ich für diese Kinder, die Besseres verdient haben.
Und für ein Team, das ebenfalls Besseres verdient hat.
Die letzten Schulleitungsjahre waren geprägt von der Aufforderung: „Gehen Sie kreativ mit der Situation um!“
Dieser Aufforderung komme ich gerne nach, doch Kreativität kann nicht die Lösung der Probleme sein, die wir derzeit im Bildungssystem tragen müssen.
Kreativ sind wir alle und zwar jeden Tag aufs Neue und dennoch hilft uns das nicht dabei, jedem Kind gerecht zu werden.
Mir fehlt der Aufschrei der Eltern, deren Kinder darunter zu leiden haben, mir fehlt der realistische Blick hinter die Kulissen, mir fehlt das Rückenstärken der Obrigkeit und mir fehlt die Zauberkraft, uns alle mit den nötigen Fähigkeiten, den nötigen Kompetenzen, dem nötigen Mut und der nötigen Hoffnung auszustatten, um wirklich alles gut werden zu lassen.
Für jedes einzelne Kind.
Das, was ich einbringen kann und täglich einbringe ist die Überzeugung, dass wir hervorragende Arbeit leisten, ich kann meine Leidenschaft, mein Herz und meinen Willen einbringen, immer wieder neu zu reflektieren, zu evaluieren und zu schauen, wo wir wie bessere Wege finden können. Ich kann meine Fähigkeiten nutzen, um Dinge zu verändern, die durch mich - durch uns - veränderbar sind.
Ich kann das Team in seinem Tun bestärken, unsere Schule unseren Möglichkeiten gemäß bestmöglich ausstatten, die Rahmenbedingungen in unserem kleinen System optimieren, den Blick auf das Positive stärken und ich kann lernen, gelassener zu werden.
Gelassenheit im Hinblick auf die Dinge im System, die ich nicht ändern kann. Gleichzeitig kann ich versuchen, mutig genug zu sein, um kritisch zu reflektieren und zu hinterfragen und um das zu ändern, was ich ändern kann.
Und ich kann meine Stimme erheben und mich nicht scheuen, unbequem zu sein.
In aller Konsequenz!
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